Für einmal musste ich meine Berichterstattung bewusst etwas aufschieben, zu gross war mein Ärger nach einer meiner wohl stärksten Leistungen überhaupt und dem letztlich 4ten Rang an der Mittleldistanz Europameisterschaft in Italien.

Absolute Top Rangierung vor Augen, zurückgebunden, zurückgekämpft und erneute Aufholjagd aufs Treppchen, nur um dann 100m vor dem Ziel ein zweites Mal um die Früchte meiner ganzen Vorbereitung und Leistung gebracht worden sein. Himmelhochjauchzend zu Tode betrübt, so die Zusammenfassung des Tages in einem Satz, wer sich die weiteren Zeilen ersparen möchte 😉

Eines muss man den Italiener lassen – sie wissen den Sonntag wirklich zu schätzen! Der Rennstart war auf 11 Uhr angesetzt (statt wie üblich gegen 7 oder 8 Uhr) und statt sich wie üblich um 4 Uhr morgens mühsam aus den Federn wecken zu lassen blieb für einmal Zeit, das Morgenbuffet mit einem feinen italienischen Capuccino zu geniessen und das Aufwärmen bei Tageslicht zu absolvieren. Die ersten knapp 2km in der Adria begannen nicht wie erhofft und nach einem kleineren Missgeschick verpasste ich die erste rund 10 köpfige Spitzengruppe mit den Hauptfavoriten. Im bergigen und technisch sehr anspruchsvollen Hinterland (die schlechten Strassenverhältnisse und sinnflutartigen Regenfälle taten ihr übriges dazu) hielt ich mich trotz des ansteigenden Rückstandes noch geduldig zurück. Zum Glück wusste ich, dass der favorisierte Italiener vor Monatsfirst die Triathlon Stars Frodeno und den aktuellen Hawaii Sieger (und bekannte Rad Rakete) Kienle noch richtiggehend deklassierte, ansonsten hätte ich mich womöglich aufgrund des 5 minutigen Rückstandes am Wendepunkt und des strömenden Regens für den zweiten Kaffeehalt am Sonntag entschieden. Auf den zweiten flächeren 45km zurück ans Meer konnte ich aber richtig Druck machen und meinen Rückstand sogar wieder etwas reduzieren, um als 5ter auf die abschliessende Halbmarathonstrecke zu gehen. Meine Zielsetzung des Podestranges schien mit einer starken Laufleistung wieder möglich. Schnell fand ich einen guten Ryhthmus und konnte der Rückstand kontinuierlich reduzieren, als ich plötzlich meine Nummer auf der sog. „Penaltytafel“ sah. Weshalb ich einen solchen zu absolvieren hätte, blieb mir zunächst völlig unklar, da ich ja nie eine gelbe Karte o.ä. zu sehen bekommen habe auf dem Rad. Mit den drohenden 5 Strafminuten war das Rennen quasi vorbei und das Laufen fühlte sich an, als ob man noch einen Dolch in den Rücken bekäme, welcher einem noch die letzte Energie raubte. Als ich mitbekam, dass dieser aufgrund des falsch platzierten Helmes zu Stande kam, entschied ich mich, meinen Fehler zu korrigieren und, mittlerweile auf Rang 3 liegend, vor der letzten 7km Runde in die Wechselzone zurück zu sprinten. Eher wollte ich 2-3 Minuten Umweg in Kauf nehmen statt vermeintlich 5 Minuten abzusitzen! Zahlreiche weitere (ausländische) Athleten wurden desselben Vergehens beschuldigt und gebüsst, während bei anderen grosszügig darüber hinweg gesehen wurde und – wie zahlreiche Zuschauer berichteten – deren Helme plötzlich am „Tatort“ eingesammelt wurden ( NB: Die Krux dabei – Die Wechselzone entsprach überhaupt nicht der gängigen normalen Regelung, wobei der Helm entweder in der Box platziert oder ansonsten in einem Sack aufgehängt wird, und provozierte entsprechend Verwirrung. Zustände wie im alten Rom!) Etwas später realisierte ich, dass ich ob des Vergehens „nur“ 30 Sekunden hätte absitzen müssen statt meines viel längeren und anstrengenderen Umweges über die Wechselzone. Nun erst Recht. Mit einer starken Laufleistung kämpfte ich mich auf den letzten 2km wiederum auf den dritten Rang vor, keine zwei Minuten mehr weg vom Sieger, und es wollte mir beinahe wieder ein Lachen über das Gesicht kommen. 100m vor dem Ziel dann der Bummer: Ich wurde in der Penalty Box gestoppt, da ich schliesslich meine 30 Sekunden Strafe noch nicht abgesessen hätte („der Fehler mit dem Helm sei unkorrigierbar“)! Tatenlos musste zusehen, wie ich wiederum überholt wurde, setzte aber umgehen nochmals zu einem Zielsprint an, nur um die Medaille letztlich um 3 Sekunden zu verpassen. Mein Protest wurde vom Hauptverantwortlichen abgelehnt, die normalerweise gewährten mündlichen Erläuterungen nicht mal beigezogen. Der Funktionär war für mich unauffindbar, bis ich spätestens 1h nach Zieleinlauf unverzüglich zur Dopingkontrolle antreten musste, sollte mir noch nicht weitaus grösseres Ungemach drohen, währenddessen dann entschieden wurde.

Sport kennt viele Facetten – Erfolg, Niederlage, Emotionen – und wird nicht umsonst als gute Lebensschule betitelt. Das Resultat muss ich so akzeptieren, auch wenn es mir zu Beginn nicht einfach gefallen ist. Ich sehe das Positive: eine tolle Leistung, wahrscheinlich meine beste überhaupt über die längere Distanz, eine Laufleistung, dich ich mir wohl selber kaum zugetraut habe, Topform wenns zählt, Kampfeswillen, und vor allem, dass ich bis zur letzten Sekunde nie aufgegeben habe, auch wenn es ein leichtes gewesen wäre, Gründe hervorzubringen. Für mich ist darum diese Leistung wertvoller als mancher Sieg, den ich bereits erzielen konnte. Das schöne beim Sport ist, dass es immer wieder eine neue Chance gibt und dass sich auch Glück und Pech in einer Form immer wieder ausgleichen. Umso motivierter bin ich nun für die kommenden Wettkämpfe – Bring it on!

Viele Grüsse,

Ruedi