Mein gutes Gefühl im Vorfeld und in den letzten Trainingswochen hat mich also nicht getäuscht – zweiter Rang und damit Vize Weltmeister auf der Triathlon Langdistanz! Sicherlich einer meiner bisher schönsten Erfolge in meiner Triathlon Laufbahn und auch gleichzeitig auch besten Leistungen, die ich zeigen konnte.

Ich kam sehr gut über die drei Auftaktkilometer im Wasser und konnte mit rund einer Minute Rückstand auf das Führungsduo an vierter Position die Verfolgung aufnehmen. Die 120km Radfahren durch das wellige Dänische Hinterland waren topografisch nicht sehr anspruchsvoll. Dafür aber bot der starke Wind zusätzliche Herausforderungen, etwa beim Manövrieren des Rades bei Seitenwind. Bald fand ich einen guten Rhythmus und konnte konstant Zeit nach vorne gutmachen, bis ich nach rund 40km zur Spitze auffuhr. Hier verhielt ich mich zunächst eher passiv und möglichst kräfteschonend. Vor allem bei Gegenwind macht es doch einen ganz bedeutenden Unterschied, ob man alleine in die Pedalen treten muss oder von den 10m Abstand zum Vordermann und dem damit verbundenen Windschatten profitieren kann.

Weitere Athleten kamen hinzu, so dass die Spitze auf sechs Mann anwuchs. Bei den meisten Wettkämpfen wäre dies eigentlich eine ideale Situation für mich, um abzuwarten und auf meine Laufstärke zu vertrauen. Jedoch wusste ich um die grosse Laufstärke des einen Spaniers, dem ich möglichst vorgängig der letzten 30 Laufkilometern noch etwas Zeit abnehmen wollte, insbesondere da das individuelle Zeitfahren nicht seine stärkste Disziplin ist. Ich musste also voraussichtlich etwas riskieren, um ganz vorne landen zu können, verbunden jedoch mit dem Risiko, dass ich dann später umso mehr „eingehe“ und eine top Klassierung verpassen würde. Ich entschied mich für die offensive „all in“ Variante und ergriff mit einer harten Tempoverschärfung über die letzten 40km die Initiative. Ab diesem Moment gab es kein Zurück mehr. Alles oder nichts, voll in die Pedalen treten. Wohlwissend, dass der Wettkampf noch gut drei Stunden dauern würde… Zwar konnte ich mich gut absetzten, aber der Vorsprung wuchst nie über eine Minute an. Zugleich wurde die Gruppe nicht gesprengt, sondern blieb kompakt und arbeitete auf ihre Art zusammen, zusätzlich animiert wohl durch mein Handeln. Ich musste also davon ausgehen, dass meine Konkurrenten weniger Energie für dieselbe Leistung brauchten als ich, inklusive dem Spanier… Aber was man nicht ändern kann, sollte einen nicht beschäftigen im Wettkampf.

Gut dreissig Sekunden Vorsprung für 30 lange Laufkilometer als Polster war sicherlich nicht das, was ich mir durch diesen Effort erhofft hatte. Zudem schlossen schon nach wenigen Kilometern drei Athleten zu mir auf. Bereits da war ich nudelfertig und hätte mich am liebsten einfach auf den Boden gelegt. Auch mental war diese Situation nicht minder… Aus meiner Erfahrung weiss ich jedoch, dass es gerade diese Momente sind, die letztlich wegweisend und damit entscheidend für das Abschneiden im Wettkampf sind. Du findest viele Gründe, weshalb es nun einfach nicht hat klappen wollen. (Fast) Jeder Ausserstehende als auch ein Teil in dir wird dir im Nachhinein versichern, dass du ein toller Kerl bist, du es ja versucht hast, in Führung warst oder dergleichen… Aber ganz in deinem Innern bleibt ein Zweifel, ob du wirklich alles gegeben hast und nicht doch vielleicht mehr möglich gewesen wäre. Es ist wie ein Wegweiser im Wettkampf, der auf dich zukommt und wo du dich für die Richtung entscheiden musst und dann die Konsequenzen daraus trägst. Da hilft kein körperliches Training oder Talent, keine Kilometerangaben, Wattdaten, Trainer oder Betreuer, Puls, Laktatwert, „hätte“, „wäre“ oder was auch immer. Das sind die Momente, wo sich die Streu vom Weizen trennt, und da musst du durch, wenn es ein erfolgreicher Tag sein soll. Alleine du entscheidest und trägst daraus die Konsequenzen!

Ich biss mich am Spanier fest – alles oder nichts! Irgendwann kam die zweite Luft. Das ganze entwickelte sich immer mehr zu einem Fahrtspiel. Der Spanier versuchte alles, um mich loszukriegen. Lange, bis etwa zur Rennhälfte, konnte ich dagegenhalten, aber nach einigen Kilometersplits von 3.15min/km wusste ich, dass meine Reserven nicht bis zum Ende reichen würden… Ich liess abreissen und versuchte, nach hinten abzusichern, während ich insgeheim noch auf eine Schwäche vorne hoffte. Die letzten fünf Kilometer waren dann nur noch überleben angesagt, und ich fühle, wie die Kräfte immer mehr schwanden. Ich lief sprichwörtlich auf Eiern und zuletzt wie in Trance, konnte aber einige Sekunden Vorsprung retten und mich über den tollen zweiten Rang freuen.

Nicht nur mit dem Resultat bzw. dem Rang, sondern eben auch mit meiner Leistung bin ich sehr zufrieden. Je mehr man sich im Wettkampf überwinden muss, grossen Herausforderungen gegenübersteht und diese letztlich auch meistern kann, umso grösser ist anschliessend die Befriedigung. Allzu gerne wäre ich natürlich zuoberst auf dem Treppchen der WM gestanden und hätte diese einmalige Chance packen wollen, aber ich traure nichts nach. Ich habe alles versucht, bin aufs Ganze gegangen und habe alles gegeben.

Nun freue ich mich zunächst auf eine trainingsfreie Woche, um dann weiter top motiviert und mit vollen Akkus die weiteren Ziele dieser Saison in Angriff zu nehmen. Schliesslich ist ja erst Juli 😉